Die Ausstellung "Wir werden ihre Städte ausradieren" (Zitat Hitler vom 5.9.1940, Sportpalast Berlin)
28. April - 8. Mai 2025
Kulturbunker unter dem Diakonissenplatz, Rosenbergstr. 23 in Stuttgart
Eingang zum Kulturbunker unter dem Diakonissenplatz in Stuttgart, Rosenbergstr. 23 (rechts hist. Belüftungskamin)
Auf dem Steller der Marktplatz mit Blick Richtung Stiftskirche vor der Kriegszerstörung.
Eingang zum Kulturbunker unter dem Diakonissenplatz in Stuttgart, auf dem Steller der Marktplatz nach der Kriegszerstörung
SIC TRANSIT GLORIA MUNDI
Frottage eines Stuttgarter Trümmersteins, der im Spitalwald von Stuttgart-Vaihingen in Nähe des Katzenbacher Hofes am Rande eines Waldweges zu finden ist. Woher der Stein stammt, ist mir unbekannt.
Die Übersetzung aus dem Lateinischen lautet „So vergeht der Ruhm der Welt“.
Es handelt sich um ein historisches Zitat aus dem Krönungszeremoniell eines neuen Papstes. Wenn der neue Papst die Peterskirche betritt, muss der Zeremoniar mehrmals ausrufen: „Pater sancte, sic transit gloria mundi“, um ihn darauf hinzuweisen, dass auch der Papst vergänglich ist.
An diesem 3m langen "Motto" im Flur muss man vorbei, um in den hinteren Teil des Bunkers zu gelangen.
Eine Schulklasse besichtigt die Ausstellung im Geschichtsunterricht - Bild links das alte Stuttgarter Rathaus vor der Kriegszerstörung, rechts daneben die Kriegszerstörungen.
Die Schulklasse im "Blitz" - Raum, der die Kriegszerstörungen der deutschen Luftwaffe in mehreren Städten Englands dokumentiert: links Churchill in der Ruine von Coventry-Cathedral, hinten die Tower Bridge erkennbar.
Die Kriegszerstörung des "Blitz" in London
Schülerinnen vor der "geschändeten" Statue des Bomber Harris mit der Aufschrift "Shame".
Links Blick in den "Blitz"-Raum, rechts das abgedeckte Foto "Obermaidan"
„Obermaidan“, die Aktenmappe muß vom Betrachter/in angehoben werden, um das istorisches Foto aus dem Treblinka-Prozess von 1964 zu sehen (2013, Aktenmappe, 30x40cm)
„Obermaidan“ war der Tarnname für Treblinka. Die Opfer mussten Karten für diesen Zielbahnhof lösen - Gerüchte über die Hölle von Treblinka hatten sich schnell in ganz Polen verbreitet.
Das Foto zeigt die Eröffnung des ersten Treblinka-Prozesses vor dem Landgericht Düsseldorf am 12.10.1964 (Quelle: picture-alliance, Bild-Nr. 47105408).
Auf der Anklagebank von links (in Klammer Urteile vom 3.9.1965):
Kurt Hubert Franz (lebenslang), Otto Stadie (7 Jahre), Heinrich Matthes (lebenslang), Willi Mentz (lebenslang), August Miete (lebenslang), Franz Suchomel (6 Jahre) und Gustav Münzberger (12 Jahre).
"Es war die fürchterlichste Sache, die ich in meinem Leben gesehen habe."
(Adolf Eichmann über seinen Besuch in Treblinka)
„Sie wären sowieso gestorben“, alter medizinische Leuchtkasten, Röntgenaufnahme von Imre Gönczi
Imre Gönczi, ein Überlebender des KZ Auschwitz, wurde vom dortigen Lagerarzt Dr. Hans Münch Zahneiter ins Rippfell gespritzt als medizinisches Experiment. Gönczi überlebte knapp, er war erst 17jährig, hatte aber fortan Schmerzen bei jedem tieferen Atemzug.
Gönczi hatte den Mut, seinen Peiniger Münch 1999 in seinem Haus im Allgäu zu besuchen, das Magazin „Der Spiegel“ war dabei (siehe Artikel Nr. 14/1999, S. 116-123).
Münch sprach von „idealen Arbeitsbedingungen“ in Auschwitz und bereute nichts. Er konnte mit Menschen Versuche machen, die sonst nur an Kaninchen möglich sind.
Diagnose: Massive Pleuraadhäsionen (1), der linke Lungenflügel ist auf die Hälfte geschrumpft und hat das Herz nach links gedrückt. In der Lunge hat sich eine abgekapselte Entzündung gebildet. Gönczi hätte daran sterben können.
Münch zu Gönczi: „Gestorben wären sie in Auschwitz praktisch sowieso“. Münch hat ein reines Gewissen. Er würde alles nochmal so machen. Er hat keine Alpträume.
Fotos von Wolfgang Maria Weber, München:
Das Foto zeigt die Brandnarbe an der eintätowierten Häftlingsnummer 44035 von Imre Gönczi. Nach der Befreiung aus dem KZ hat er sich an einer Heizung das Dreieck ausgebrannt, das ihn als Juden kennzeichnete – „Da war ich kein Jude mehr“.
Besuch einer Schulklasse: Hier wurde es ganz still, keine Einzelgespräche unter den Schülern mehr
ENDSIEG, Legoobjekt
Ich war als Kind ein fanatischer Erbauer mit Legosteinen, von denen es nur weiße und rote Steine gab, ich konnte also nicht auf ein so ausgefeiltes Produktprogramm zurückgreifen, v.a. was Bewegung anbetrifft - was mich interessiert hätte.
In der Schule war ich eher ein Loser-Typ, allerdings durfte ich auch ab und zu mal siegen, z.B. bei den Bundesjugendspielen.
"Wir kapitulieren nie"
Ist an vielen Hauswänden im 3. Reich zu finden und zeigt die Hybris, den ideologischen Wahn, den verzweifelten Glauben an die eigene Unbesiegbarkeit.
Auszug aus Adolf Hitlers Rede im Münchener Bürgerbräukeller am 8. November 1939:
„So wie ich Ihnen damals immer sagte: Alles ist denkbar, nur eines nicht, dass wir kapitulieren, so kann ich das als Nationalsozialist auch heute nur der Welt gegenüber wiederholen: Alles ist denkbar, eine Kapitulation niemals! Man soll sich das ja aus dem Kopf schlagen! Wenn man mir dann erklärt: dann wird der Krieg drei Jahre dauern - wie lange er dauert, spielt keine Rolle, kapitulieren wird Deutschland niemals, niemals, jetzt nicht und in drei Jahren auch nicht.
Man sagt mir, England hat sich auf einen dreijährigen Krieg vorbereitet. Ich habe am Tage der britischen Kriegserklärung dem Feldmarschall Göring den Befehl gegeben, sofort die gesamten Vorbereitungen auf die Dauer von fünf Jahren zunächst zu treffen, nicht weil ich glaube, dass dieser Krieg fünf Jahre dauert, aber weil wir auch in fünf Jahren niemals kapitulieren würden, und zwar um keinen Preis der Welt.
Wir werden aber nun diesen Herren ja zeigen, was die Kraft eines 80-Millionen-Volkes vermag, unter einer Führung, mit einem Willen, zusammengefügt zu einer Gemeinschaft. Und hier wird die Partei in Erinnerung an die einstigen Toten erst recht ihre große Mission erfüllen müssen. Sie wird die Trägerin sein dieses Willens, der Geschlossenheit, der Einheit und damit unserer deutschen Volksgemeinschaft. Was immer auch im einzelnen uns an Opfern zugemutet wird, das wird vergehen, es ist belanglos. Entscheidend ist und bleibt nur der Sieg!"
Tondokument dieses Redeausschnitts (2:07Min incl. langem Applaus)
Die Ausstellung findet im größten Tiefbunker der Stadt im Kulturbunker unter dem Diakonissenplatz zum 80. Jahrestag des Kriegsendes statt. Er war in den 1980er Jahren unter OB Rommel zum Atombunker ausgebaut worden.
Die Ausstellung schließt am 8. Mai mit einer Vernebelungsaktion. Vernebelung wörtlich, aber auch im übertragenen Sinn gemeint - die Vernebelung durch den ideologischen und verheerenden Wahn der Nazizeit. Wörtlich wurde der Talkessel Stuttgart und das Neckartal damals (vergeblich) zum Schutz vor den alliierten Bombern zeitweise vernebelt (mehr Infos in der Ausstellung).
Im ersten großen Ausstellungsraum finden sich viele Fotos vom kriegszerstören Stuttgart (Stiftskirche, Marktplatz, Rathaus, Innenstadt, Altes und Neues Schloss, Kaufhaus Schocken, Hauptbahnhof) - es ist deprimierend, diese sinnlose Zerstörung in Stuttgart zu sehen, besonders im Vergleich zu den Vorkriegsfotos. Natürlich wird man nachdenklich ob der gezielten nächtlichen Bombardierung der Zivilbevölkerung durch die Royal Air Force.
Auch ein paar Fotos nach dem Neuaufbau sind dabei – einerseits großen Respekt für die Aufbauleistung, andererseits Kopfschütteln über die angestrebte „autogerechte Stadt“ und weitere Abrisse auslösend.
Im Flur muss man an einer Frottage eines Stuttgarter Trümmersteins "sic transit gloria mundi" aus dem Vaihinger Wald und dem Motto "Wer sich nicht an die Vergangenheit erinnert, ist dazu verurteilt, sie zu wiederholen" vorbei.
Der letzte Raum mit der Kriegszerstörung Englands, dem "Blitz", zeigt quasi dieselben Bilder der Zerstörung.
Was man immer mitdenken muss, wenn man die eigenen Wunden im Stadtbild betrachtet: Deutschland hat seine Nachbarn brutal überfallen, der eigentliche Täter waren also wir - da darf man keine Schonung erwarten.
Neben einer eindringlich hörbaren Rede von Thomas Mann von 1942, an die deutsche Bevölkerung gerichtet und über BBC London ausgestrahlt, die rot beschmierte Statue des umstrittenen Bomber Harris.
Ein 3. Raum zeigt die sonstigen Abgründe der Nazizeit und thematisiert mit "Endsieg" als Legomodell und "Wir kapitulieren nie" die Hybris und den krankhaften Wahn der Nazis. Ein Lichtkasten zeigt ein Röntgenbild des Brustkastens des Auschwitz-Überlebenden Imre Gönczi, der seinen Übeltäter, den SS-Arzt Münch 1999 im Allgäu zu besuchen wagte. Der hatte ihm als Experiment Zahneiter in das Rippfell gespritzt: Imre überlebte, hatte aber fortan zeitlebens Schmerzen bei jedem tieferen Atemzug. Der Arzt war ganz mit sich im Reinen und genoss seinen wohlverdienten Ruhestand / Wohlstand, keine Spur von Bedauern. Er würde es wieder so machen, denn er hatte ideale Arbeitsbedingungen in Auschwitz. Einen hypokratischen Eid gab es in Auschwitz nicht.
Ein Foto des Treblinka-Prozesses ist mit einem Aktendeckel verhängt. Um es zu betrachten, muss man die Aktenmappe anheben und damit eine ähnliche Haltung einnehmen, wie sie die Verurteilten auf der Anklagebank einnehmen: sie verdecken ihre Gesichter.
Der 3. Raum illuminiert das schwarze Loch unserer Geschichte und verdeutlicht, warum die Bombardierungen der Engländer der deutschen Zivilbevölkerung dagegen zwangsläufig verblassen müssen.
Für mich ist fast unerträglich, dass nach all dem Unheil, das wir über unsere Nachbarvölker gebracht haben, auch nach über 80 Jahren noch so viel Nazigedankengut in den Köpfen der Deutschen irrlichtert, ja es gar wieder zuzunehmen scheint, auch bei den Jungen. Man könnte über diese Geschichtsvergessenheit verzweifeln.